Unser Kirchwald

Text und Fotos: Brigitte Sonnenberger

Wussten Sie, dass unsere kleine Kirchengemeinde zu den Waldbesitzern gehört?

Das hängt mit unserer Jahrhunderte alten Geschichte zusammen. Früher bekamen Pastoren kein Gehalt, sondern sie mussten sich von den Ländereien ernähren, die ihr die Gemeinde zur Verfügung stellte. Zum Glück ist das heute nicht mehr so, aber die Waldgrundstücke gehören uns immer noch.

In diesem Jahr war die Not der Wälder ein großes Thema in den Medien. Der Fokus lag aber nicht nur auf den Waldbränden in Südamerika und Sibirien, denn auch hier bei uns gibt es Handlungsbedarf. Trockenheit, Stürme und Schädlingsbefall haben den Bäumen in Deutschland sehr zugesetzt. So stellte sich der Elstorfer Kirchenvorstand die Frage: Was passiert eigentlich in unserem Wald?

Kirchenvorsteher Dieter Pintatis gelang es, Bernd Westphalen, Forstamtsrat der Niedersächsischen Landesforsten im Revier  Rosengarten und Tobias Wicknus, Abteilungsleiter für Liegenschaften im Kirchenkreisamt Winsen, für einen Waldspaziergang zu gewinnen. Ich war auch eingeladen, um in Zukunft die Arbeiten an und in unseren Wald auf der Homepage zu dokumentieren. Mit dabei war die Steirische Rauhaarbracke Aris als Vertreter einer seltenen Jagdhundrasse.

Das LÖWE-Programm

Bei unserem Treffen am 16. September 2019 gab es um 9 Uhr morgens erst einmal eine Theoriestunde für Dieter Pintatis und mich. Bernd Westphalen und Tobias Wicknus erläuterten uns das LÖWE-Programm (Langfristige ökologische Waldentwicklung), nach dessen Richtlinien die Waldpflege in Niedersachsen schon seit fast 30 Jahren durchgeführt wird.

LÖWE bringt die Wende zu einer stärkeren Baumartenvielfalt auf Basis der natürlichen Waldgesellschaften. Die Wälder sollen stabiler, wirtschaftlicher, ästhetischer und naturnäher werden. Als Leitbild dienen ungleichaltrige, strukturreiche Wälder aus standortgemäßen Baumarten, die sich natürlich verjüngen. So steht es in dem Programm, das Sie hier lesen können.

Was heißt das nun für unseren Wald? Wir waren sehr erstaunt über die detaillierte Dokumentation von Bodenqualität und Baumbestand, die unsere beiden Gäste seit über 10 Jahren akribisch in Karten und Tabellen festgehalten hatten. Bemerkenswert sind die vielen eingezeichneten "Habitatbäume". In unserem Wald sind das 120 bis 200 Jahre alten Buchen und Douglasien. Sie sind dauerhaft markiert und werden nicht gefällt. Alte Bäume beherbergen hochspezialisierte Tier- und Pflanzenarten und tragen so zur Artenvielfalt bei.

Nach der Theorie: Hinaus in den Wald!

Um 10:00 Uhr ging es dann ins Grüne! Zunächst fuhren wir nach Bachheide in die Straße mit dem passenden Namen "Am Kirchenwald". Unser Waldstück liegt auf der linken Seite und grenzt an mehrere Häuser. Leider mussten wir bei der Begehung feststellen, dass es Menschen gibt, die ihren Gartenmüll in unserem Wald entsorgen. So fanden wir nicht nur Garten-Ausreißer wie diverse Bodendecker und Kirschlorbeer, sondern auch einen hoch aufgeschichteten Haufen mit Schnittgut. Tief im Dickicht war ein riesiger Bambus zu bestaunen.

Die Entsorgung von Gartenabfällen im Wald ist aus mehreren Gründen verboten. So schaden Gärungs- und Fäulnisvorgänge dem Boden und exotische Gartenblumen verdrängen die heimische Flora und damit die Nahrungsgrundlage von Insekten und Vögeln.

Ganz anders sieht es mit dem sogenannten Totholz aus. Im Gegensatz zu früheren Jahren belässt man durch Sturm gefällte und auch abgestorbene Bäume im Wald und räumt sie nicht mehr weg. Was auf den ersten Blick nicht nach einem gepflegten Wald aussehen mag, sorgt für biologische Vielfalt. Zahlreiche seltene Waldvogelarten, die auf Totholz und darin lebende Insekten angewiesen sind, finden wieder einen Lebensraum.

 

 

Schwiederstorfer Wald

Weiter ging es nach Schwiederstorf, vorbei an Feldern und Weiden bis zum Wildgehege. "Vor dem Kirchenholz" heißt der schmale unbefestigte Weg, an dem linker Hand unser Wald liegt. Eingerahmt wird er von einem Wall. "Damit hat man früher den Holzdiebstahl verhindert" erzählt Bernd Westphalen. "Für voll beladenene  Pferdefuhrwerke war der Wall nicht zu überwinden".

Viel zu entdecken gab es im Schwiederstorfer Wald. Uns fiel auf, dass alle 20 bis 30 m zahlreiche Bäume rot markiert sind. "Hier entstehen Rückegassen für die Holzernte und andere Arbeiten im Wald" erklärt Bernd Westphalen. "Sie gewährleisten, dass Bodenschäden gering gehalten werden, da das Befahren außerhalb dieser Schneisen verboten ist".

Wir erfahren, dass es "dienende Bäume" gibt. Sie stehen neben den gerade gewachsenen Exemplaren, die später einmal verwertet werden sollen, sind oft schief und krumm und werden trotzdem nicht gefällt. Durch Beschattung des Hauptstamms sorgen sie dafür, dass sich keine unerwünschten Seitenäste bilden.

 

"Als ich hier vor 30 Jahren meinen Dienst aufnahm, gab es in dieser Gegend fast nur Monokulturen mit Fichten" berichtet Bernd Westphalen. Das hat sich gravierend geändert. Durch Pflanzungen und natürliche Aussaat wird auch unser Wald allmählich zu einem gesunden Mischwald. Bedingt durch Boden- und Lichtverhältnisse wachsen in Bachheide und Schwiederstorf bevorzugt Buchen, Douglasien, Lärchen, Weißtannen, Bergahorn und vereinzelt Eichen. Der noch vorhandene Fichtenbestand wird nach und nach der Verwertung zugeführt und dadurch reduziert.

Unser Waldspaziergang führte uns zu einem Areal mit vielen erntereifen Fichten, Kiefern und Douglasien. Durch den mangelnden Lichteinfall gibt  es hier kaum junge Bäume. Darum sollen in der nächsten Zeit einige Bäume gefällt und verkauft werden. "Mit Unterstützung des Kirchenkreisamtes werden wir aus dem Erlös junge Buchen anpflanzen" freut sich Kirchenvorsteher Dieter Pintatis.