Quellen:
Dieter Pintatis 2019
Anmerkungen zu den Fußnoten im Text finden Sie am Ende dieser Seite.
Die Niederlage des 1.Weltkrieges 1918 und der Übergang vom Kaiserreich zu einer demokratischen Republik hat der evangelischen Kirche schwer zu schaffen gemacht. In der Weimarer Republik verlor sie ihre Sonderstellung. „Thron und Altar“ wurden getrennt. Auch verlor die Kirche die Schulaufsicht, die sie bis 1918 inne hatte an staatliche Aufsichtsgremien. Damit wurde ihr auch ein Erziehungs- und Einflussinstrument aus den Händen genommen. Die Angst, gesellschaftlich nicht mehr den Einfluss zu haben wie in der Monarchie, machte die Demokratie bei den meisten Pastoren und Landesbischöfen zu einer unbeliebten Staatsform, zumal sie für den allgemeinen Niedergang der Kirchlichkeit verantwortlich gemacht wurde.
In den zwanziger Jahren entstanden für die Bevölkerung neue Möglichkeiten der Freizeitgestaltung. Vereine und Verbände entstanden, Sport und Kultur nahmen einen riesigen Aufschwung. Immer mehr Menschen gingen in die Theater, Kinos, Konzerte oder zu Tanzveranstaltungen. Sportvereine, besonders die der Arbeiter, erlebten einen regen Zulauf.
Die Kirche, die im öffentlichen Leben immer mehr Einfluss verlor, besonders bei der Jugend, sah die neuen weltlichen Angebote und auch den damit verbundenen Wertewandel als Bedrohung.
1928 wurde das Thema „Jugendpflege“ auf die Tagesordnung des Hittfelder Kirchenkreistages gesetzt. Auch hier wurden durch den Hauptreferenten Pastor Ramke aus Nenndorf (schon früh ein Anhänger der NSDAP - nach 1933 Mitglied der Deutschen Christen) nicht eventuelle kirchliche Defizite angesprochen, sondern er sah vor allem äußere Einflüsse wie Sportvereine, Tanzveranstaltungen und andere Vergnügungen als Ursachen der Entkirchlichung. Dazu kommt der antichristliche Einfluss der Sozialdemokraten, Kommunisten und gewisser Sportvereinen und Arbeiter in Harburger Fabriken. Als Konsequenz des Kreiskirchentages wurde Pastor Gerhard Schriever aus Moisburg als Jugendpfleger des Kirchenkreises berufen.
Anstatt sich den neuen modernen Strömungen und Möglichkeiten dieser Zeit zu öffnen und neue Wege zu gehen, um diese Menschen für das Evangelium zu gewinnen, stellte die Kirche dem modernen Menschen ihr rückwärtsgewandtes Weltbild entgegen, patriarchalisch und autoritär geprägt.
Sozialdemokraten, Gewerkschaften und Kommunisten wurden als die Feinde angesehen, die schädliche Einflüsse in die heilen, ländlich geprägten Gemeinden hinein tragen würden.
Rationalismus und Liberalismus hätten Schuld an der Entfremdung vieler Menschen von der Kirche. Bei sich selber entdeckte die Kirche keine Versäumnisse.
So herrschte gegen Ende der zwanziger Jahre und Anfang der 30er Jahre eine Hilflosigkeit gegenüber der Säkularisierung.
Der Aufstieg der NSDAP mit ihrem Führer Adolf Hitler wurde von den meisten Pastoren mit Sympathie und Hoffnung begleitet, erhoffte sich doch die Kirche durch eine autoritäre, staatliche Leitung die Wiederherstellung ihrer alten Rechte.
Mit der „Machtergreifung" (2) Hitlers 1933 erhoffte sich die Kirche eine neue Ära.
Sup. Lührs aus Hittfeld: „Unser deutsches Volk steht heute im Zeichen des Aufbruchs. Neues Hoffen und neuer Glaube regt sich in Millionen. Wird es gelingen, die Schuld und Not der Vergangenheit loszuwerden? Wir wollen ein waches Deutschland einer neuen Zeit entgegenführen.! Dieses Deutschland wird nicht bolschewistisch sein, sondern christlich" (3)
oder in einem Schreiben an die Amtsbrüder vom 25. Juli 1933:
„Sie wissen, wie ich mich unbedingt zum dritten Reich und zu unserem Volkskanzler Hitler bekenne und wie ich will, dass vom Evangelium aus Volkstum, Blut und Rasse bejaht werden sollen." (4)
Aber schon bald musste die Kirche erkennen, dass das Ziel der NSDAP die Gleichschaltung der Kirchen mit der nationalsozialistischen Ideologie bzw. ein rassisch deutsch gefärbtes Christentum (positives Christentum) war. Das Sammelbecken dieses nationalsozialistischen Christentums wurde die Partei der Deutschen Christen (DC). Die NSDAP und die Deutschen Christen versuchten in dem Jahr 1933, die Macht in der Kirche an sich zu reißen.
Am 24. Juni 1933 setzte Kultusminister Rust einen Staatskommissar für Kirchenfragen, den Ministerialdirektor August Jäger ein, der alle Vorstände auf Kirchenkreisebene und Gemeinde für aufgelöst erklärte. Der von ihm Beauftrage Pastor Gerhard Hahn aus Elmlohe, Anführer der DC im Gau Hannover-Ost, verfügte für die hannoversche Landeskirche, dass bis auf weiteres die Arbeit des Kirchenvorstandes nur von dem Vorsitzenden und zwei Gemeindemitgliedern wahrgenommen wird; die drei mussten aber „die Eingliederungdeutscher Art und deutschen Volkstums in die Kirche " (5)befürworten.
Berufen und geeignet, um diesen Auftrag auszuführen, waren dafür in Elstorf die Lehrer Albert Brennecke und Wilhelm Kröger. (6)
Am 23. Juli 1933 kam es zur letzten Kirchenvorstandswahl im NS-Staat. Die Deutschen Christen, unterstützt durch alle Medien der NSDAP, schafften es vielerorts, ihre Kandidaten in den Kirchenvorstand wählen zu lassen. So auch in Elstorf.
Aber schon bald formierte sich die Bekennende Kirche (BK), der sich immer mehr Pastoren anschlossen, besonders nach der Großkundgebung der Deutschen Christen im Berliner Sportpalast am 13. November 1933, als radikale Kräfte die Durchsetzung von Führerprinzip und Arierparagraph innerhalb der Kirche sowie die Überarbeitung der Bibel im Sinne einer positiv-völkischen Heilslehre propagierten.
Die Gleichschaltung der Kirche durch ein zentrales Regiment der Reichskirche scheiterte, die Landeskirchen behielten ihre Selbstständigkeit. Hitler verzichtete auf eine weiter Eskalation. Ihm war nicht daran gelegen Unruhe in der Bevölkerung zu schüren, da er deren Unterstützung für seine Expansionspolitik benötigte. Durch gesetzliche Eingriffe versuchte der Staat nun die kirchlichen Handlungsräume einzuengen. Die Finanzabteilungen der Kirchen wurden zu einem Instrument staatlicher Machtpolitik. Staatsabhängige Instanzen kontrollierten die Kirchenfinanzen und disziplinierten damit auch nicht konforme Geistliche durch Gehaltskürzungen.
Die Deutschen Christen verloren immer mehr an Bedeutung. Die traditionell geprägte Landbevölkerung hielt zu ihrem Pastoren und zu ihrer Kirche. Ab 1937 verließen viele Deutsche Christen die Kirche auf Veranlassung der Partei.(7) Hitler hatte den Krieg schon fest im Blick und wollte sich erst nach dem Endsieg mit einer Endlösung der Kirchenfrage beschäftigen.
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die evangelische Kirche dann kämpfte, wenn es um ihre eigene Institution und deren Eigenständigkeit ging. Kein Wort verlor sie über das rassistische Regime, den Krieg und die Millionen Opfer. Ebenso tolerierte sie die Vernichtung der Juden, Sintis, Zeugen Jehovas, Homosexuellen und politisch Andersdenkenden. Die evangelische Kirche hielt dem NS-Staat und ihrem Führer Adolf Hitler die Treue bis zum Schluss. (8)
Viele Pastoren standen von ihrer Gesinnung her den Nationalsozialisten sehr nahe. So auch Pastor Langelotz in Elstorf. Gemeinsame Veranstaltungen in der Kirche mit der Gemeinde und Gliederungen der NSDAP waren anfangs üblich. So am Volkstrauertag im März 1933 wo die SA und der Freiwilliger Arbeitsdienst Schwiederstorf in der Kirche die Gedächtnistafeln der Gefallenen des 1.Weltkrieges einweihten. Auch am 1.Mai 1933 marschierten geschlossen aus Ovelgönne und Immenbeck neben Schützen-und Kriegerverein auch SA und NSVO (9) nach Elstorf zum Gottesdienst. Wie innig unsere Nicolai-Kirche mit dem NS-Staat sympathisierte zeigte sich am 8.11.1933, als in der Kirche eine Gedächtnisfeier für die „Gefallenen der nationalsozialistischen Bewegung“ stattfand.(10)
Im Jahre 1934 trat seitens der Kirche doch eine Ernüchterung ein hinsichtlich der Absichten der Deutschen Christen und den kirchlichen Einschränkungen seitens der NSDAP.
Dieses belegen in unserem Kirchspiel folgende Begebenheiten:
Pastor Langelotz hatte 1934 die gesamte Lehrerschaft unseres Kirchspieles zum Reformationsgottesdienst eingeladen. Hierauf bekam er am 25.10.1934 ein Schreiben mit folgendem Inhalt:
„An den Herrn Pastor zu Elstorf!
Aus Anlass Ihrer Einladung zum Reformationsfest teile ich Ihnen im Auftrag meiner Kollegen mit: Die Lehrer der Kirchengemeinde Elstorf stehen geschlossen hinter der Reichsregierung und dem Reichsbischof Pg. (Parteigenosse) Müller. Wegen der Streitigkeiten innerhalb der evang.Kirche und der undeutschen Haltung zahlreicher Geistlichen gegenüber der Nationalsozial. Volksbewegung u. der Reichsregierung lehnen sie eine gemeinsame Kirchenfeier anlässlich der Reformationsfestes für ihre Schulen ab.
Heil Hitler !
gez. I.A. Lindmüller
Die Kollegen von Herrn Lindmüller (Neu Wulmstorf) waren:
Albert Brennecke (Elstorf), Rudolf Brunkhorst (Wulmstorf), Wilhelm Kröger (Elstorf), Heinrich Meyer (Ovelgönne), Wilhelm Marquardt (Immenbeck).
Dieses Schreiben sandte Pastor Langelotz an den Sup. (Superintendenten) Lührs, der sich an den Schulrat wandte, sich dieser „unerhörten Unverschämtheit“ der Elstorfer Lehrerschaft anzunehmen und sie zur Rechenschaft zu ziehen.
Weiter schrieb Superintendent Lührs:
„Es ist eine ganz unglaubliche Art und Weise einfach die Reichsregierung mit dem Reichsbischof auf eine Linie zu stellen. Es kann sehr wohl jemand geschlossen hinter der Reichsregierung stehen und doch den Reichsbischof ablehnen. Von einer undeutschen Haltung zahlreicher Geistlichen gegenüber der nationalistischen Volksbewegung zu reden, ist so unerhört, dass dringend darum bitten muss, dass diese Lehrer, die sich diesen Ausspruch geleistet haben, unverzüglich zur Rechenschaft gezogen werden. Ich erwarte, dass sich diese Herren sofort wegen ihres Schreibens entschuldigen...“
Eine Durchschrift ging an den Bischof. Monatelang tat sich dann nichts. Im 19. Februar 1935 fragt der Superintendent bei der Regierung in Lüneburg an, in wie weit die Lehrer, die die Pastorenschaft beleidigt hatten (eine erhebliche Unruhe war unter den Pastoren im Kirchenkreis ausgebrochen, hinsichtlich der Beleidigung) zur Rechenschaft gezogen wurden, oder ob irgendeine Entschuldigung von Seiten der Lehrer erfolgte. Inzwischen erneuerten die Lehrer in verschiedenen Schreiben ihre Vorwürfe, woraufhin Sup. Lührs Pastor Langelotz am 7.3.1935 bat, auf die Anschuldigungen der Lehrer schriftlich einzugehen. Zugleich empfahl er vielleicht daraufhin hinzuweisen welche Einstellung einige der Lehrer vor der Machtergreifung gehabt haben, die sich nun berufen fühlen, zu urteilen, was undeutsch ist und was nicht.
Nach einer Pastorenkonferenz, in der über den schriftliche Bericht von Pastor Langelotz beraten wurde, sandte Sup. Lührs den Bericht an das Landeskirchenamt mit folgenden Bemerkungen:
„.. aus dem Bericht des Pastor Langelotz geht eindeutig hervor, dass die Vorwürfe der Lehrer vollständig unberechtigt sind. Ich kann es nur ein leichtfertiges Handeln nennen, einem Manne in dieser Art und Weise an die Ehre zu tasten. Aus meiner Kenntnis der Person des Pastors Langelotz kann ich nur bestätigen, dass er von Anfang an treu zum Führer des dritten Reiches gestanden hat.
Die Lehrer haben in ihrem Schreiben nicht einmal den Versuch gemacht, ihren Vorwurf der undeutschen Handlung zahlreicher Geistlicher irgendwie zu belegen ....“
Das Landeskirchenamt sandte diesen Bericht am 23.3.1935 (liegt der Kirchengemeinde nicht vor) als Anlage der Regierung in Lüneburg zu. Im Begleitschreiben weist das Landeskirchenamt, ohne die Sache zu verschärfen (wahrscheinlich handelt es sich in dieser Angelegenheit um Missverständnisse) noch einmal auf eine Entschuldigung der Lehrerschaft hin. Falls dieses nicht geschieht, erwägt das Landeskirchenamt gegenüber den Lehrern ein Offizialstrafverfahren wegen Beleidigung einzuleiten.
Am 7.6.1935 erhält der Sup. Lührs vom Landeskirchenamt ein Schreiben, in dem die Antwort des Regierungspräsidenten von Lüneburg erwähnt wird. Dieser hatte am 15.5.1935 folgendes geschrieben:
„Auf das gefällige Schreiben vom 23.3.1935, Nr. 7264 erwidere ich ergebenst, dass eine nochmalige Vernehmung der Lehrer keine Änderung ihrer Stellungnahme ergeben hat. Dies bringe ich zur Kenntnis mit dem Bemerken, dass ich bei der gegebenen Sachlage keine Möglichkeiten sehe, eine Zurücknahme der erhobenen Vorwürfe durch die Lehrer herbeizuführen.“
Das Landeskirchenamt macht Sup. Lührs darauf aufmerksam, das eine strafrechtliche Verfolgung keinen Erfolg haben wird, da die dreimonatige Antragsfrist zur Anklageerhebung inzwischen verstrichen ist. Vielleicht muss überlegt werden, ob Lehrer, die einen derart schweren Vorwurf gegen die Pfarrerschaft erheben, noch länger ein kirchliches Amt betreuen können. Am 8.10.1935 nimmt der Kirchenkreisvorstand noch einmal Stellung zu dem Vorfall und gibt seiner Entrüstung zum Ausdruck, dass die Lehrer die Beleidigungen immer noch nicht zurückgenommen haben. Sie halten es auch nicht für tragbar, das Lehrer, die solch einen Vorwurf gegenüber den Pfarrern äußern noch länger ein kirchliches Amt betreuen. Deshalb bittet der Kirchenkreisvorstand das Landeskirchenamt, das der Lehrer Albert Brennecke, Organist von Elstorf, seines Amtes enthoben wird.
Lehrer Brennecke hatte der Regierung in Lüneburg einen Bericht zugesandt, in dem Stellen aus Pastor Langelotz Predigten niedergeschrieben waren. Sup.Lührs verspricht sich nicht viel von einer Amtsenthebung, da zwischen Pastor Langelotz und dem Kirchenvorstand in Elstorf kein Vertrauensverhältnis besteht. Der KV würde einer Entlassung des Lehrers Brennecke nicht zustimmen würde, zumal ein Kirchenvorsteher sich gegenüber dem Nachfolger von Pastor Langelotz, Pastor Jacobi , 1937, mit den Worten äußerte: „Wir sind ja nur von Partei (NSDAP) wegen in den Kirchenvorstand gewählt.“ Der KV hätte aus politischen Erwägungen bestimmt einer Entlassung des Lehrers Brennecke von seinen kirchlichen Ämtern nicht zugestimmt.
Das Landeskirchenamt unterstreicht in einem Schreiben vom 20.1.1936, die Schwierigkeiten, den Lehrer Brennecke zu entlassen, da es sich bei seiner Stelle um eine organisch verbundene Kirchen- und Schulstelle handelt, und eine Versetzung nur im Einvernehmen mit der Regierung möglich wäre.
So bleibt der Streit weiter bestehen, ohne dass es zu einer Lösung kommt. Die Nachfolger von Pastor Langelotz, Pastor Schriever als Vakanzvertretung und Pastor Jacobi, empfanden es als unangenehm, mit dem Lehrer und Organisten in der Kirchengemeinde zusammenzuarbeiten, der solche Beleidigungen von sich gab und den Pastor Langelotz bespitzelte und denunzierte.
Diese Auseinandersetzung mit der Lehrerschaft wirkte sich auch aus auf das Bestreben von Wilhelm Marquardt aus, einem der Hauptbeteiligten in der Beleidigung der Pastorenschaft, seine Heimat- und Sippenforschungen voranzutreiben. (11) Die Kirchenbücher Elstorf wurden ihm verwehrt, mit der Begründung der fehlenden Entschuldigung hinsichtlich der Beleidigung der Pastorenschaft. Wilhelm Marquardt, seit dem 1. Nov. 1935 in der NSDAP - Gauleitung Hannover-Ost in Harburg-Wilhelmsburg tätig (12), versuchte immer wieder über Parteistellen bis hin zur Reichsstelle für Sippenforschung in Berlin, an die Elstorfer Kirchenbücher zu gelangen. Sie blieben ihm aber bis zuletzt durch den Kirchenkreis und den Elstorfer Pastoren verschlossen.
Pastor Langelotz (1929 – 1936) geriet immer wieder in Auseinandersetzungen mit den HJ- Führern, die für ihre Belange das Entgegenkommen der Kirche verlangten. In einem Fall forderte die HJ-Führung für einen Jungen aus Elstorf Urlaub für einen HJ-Kurs. Es war kurz vor Ostern, die Konfirmation stand an. Den Wunsch der HJ lehnte Pastor Langelotz aus diesem Grund ab. Daraufhin muss der Jungbannführer Chors aus Buchholz sich gegenüber Pastor Langelotz so unflätig benommen haben, dass Pastor Langelotz diesen Vorfall in die Kirchenkreisvorstandsitzung einbrachte. Nach dem Bericht herrschte unter den Mitgliedern große Entrüstung. Dieses wurde auch dem Landesbischof Marahrens mitgeteilt, der sich wie der Kirchenkreisvorstand hinter Pastor Langelotz stellte. Landesbischof Marahrens schrieb an den Kirchenkreis Hittfeld:
„..Ich wurde dann am folgenden Tage von der Führung der Hitlerjugend in Buchholz in dieser Sache antelefoniert und habe da ebenfalls zum Ausdruck gegeben, dass Pastor Langelotz, den Knaben nicht habe beurlauben können, und dass es durchaus wünschenswert sei, wenn die Hitlerjugend in dem Jahre ihrer Konfirmation nicht zu derartigen Veranstaltungen herangezogen würde.
Eine Beurlaubung in dem letzten Vierteljahr vor der Konfirmation sei nicht möglich. Der Junge könne ja an einem späteren Kursus teilnehmen. Da der Führer der Hitlerjugend am Telefon von einer Beschwerde redete, berichten wir über die Angelegenheit.“
Aber auchmit Eltern kam die Kirche hinsichtlich des Konfirmandenunterrichts zu Auseinandersetzungen. In einem Schreiben an Pastor Schriever, vom 24.2.1942, beschwert sich Herr Karl Rösemeier darüber, dass sein Sohn durch Fehlen des Unterrichtes vom Vorkonfirmandenunterricht ausgeschlossen wurde.
„die von Ihnen aus der Liste der Vorkonfirmanden gestrichenen Kinder, einschließlich meines Sohnes, haben an den Ernteeinsatz und einer darauf folgenden Bodenuntersuchung teilgenommen. Sie haben somit ihrer vaterländischen Pflicht genüge geleistet....“
In einem Schreiben vom 15.7.1937 an den „Rheinischen Provinzialausschuss für Innere Mission“ in Langenberg/Rheinland die Pastor Jacobi baten, sich um die Jungen im Landjahrlager Schwiederstorf zu kümmern, antwortet Pastor Jacobi:
„... Ich bin zweimal im Lager gewesen und habe mit den Führern gesprochen, man nahm mich immer sehr freundlich auf, versicherte mir alles Mögliche und der Erfolg ist gleich null. Einmal sind im Frühjahr 8 Jungens im Gottesdienst, seitdem nicht mehr. Auf meine dahingehende Äußerungen und den Hinweis auf die Bestimmungen wurde mir jedes Mal geantwortet, es würde Gottesdienst angesetzt, aber es meldeten sich nicht genug, um einen Führer mit ihnen zum Gottesdienst zu schicken. Im Gegenteil, es meldete sich nie einer. Nun weiß ich, dass den Jungens gesagt wird, es müssen sich mindestens 30 melden, und dass vor den Jungens auch planmäßig die Kirche lächerlich gemacht wird. Die Führer sind, wie sie selbst sagen, deutschgläubig. Irgendwelche Unterhandlungen meinerseits mit dem Lagerführer erscheinen mir sinnlos, er wird mir wieder den Plan zeigen, nachdem verschiedentlich Gottesdienst angesetzt ist und wird mir mit einem bedauernden Lächeln sagen, die Jungen wollten eben nicht und zwingen könnte er sie nicht. .......“
Das bäuerlich-konservativ geprägte Kirchspiel Elstorf begrüßte die Ernennung Hitlers als Reichskanzler. Eine Eintrittswelle in die NSDAP erfolgte. Die Kirchenvorstandwahlen 1933 standen unter dem Zeichen, kirchliche Gremien mit Parteimitgliedern zu besetzen, um so Einfluss in der Kirche zu erlangen. Dass damit die Interessen des Pastoren und die der Kirchenvorsteher weit auseinander lagen, zeigt sich in deren Zusammenarbeit. Vom Kirchenvorstand konnte sich der Pastor in den Auseinandersetzungen mit der Partei keine Unterstützung erhoffen.
Alle Elstorfer Pastoren beschweren sich in dieser Zeit, dass bei den Kirchenvorstehern kein geistliches Interesse besteht. So äußerte sich ein Kirchenvorsteher gegenüber Pastor Jacobi: „Wir sind ja nur von Partei wegen in den Kirchenvorstand gewählt“. Den Gottesdienst besuchten die Kirchenvorsteher nur, wenn sie den Klingelbeutel halten mussten, aber auch das vergaßen sie oft. Einladungen der Pastoren zu Bibelstunden und Passionsandachten gingen ins Leere. Keiner der Kirchenvorsteher sah seine Aufgabe in der Förderung des kirchlichen Lebens, wie sollten sie auch, da sie als NSDAP-Mitglieder in den Kirchenvorstand gewählt wurden. Deutlich wurde es in der Auseinandersetzung mit der Lehrerschaft, der HJ und dem Landjahrlager. Hier hatte der jeweilige Pastor keine Unterstützung des Kirchenvorstandes zu erwarten. Der Kirchenvorstand sah seine Aufgabe eher im Zusammenhalten des Geldes, der Verpachtungen der kirchlichen Ländereien und anderen administrativen Aufgaben.
Pastor Langelotz am 25.9.1935 an den Sup. Lührs:
„Der Kirchenvorstand in Elstorf wurde 1933 vollständig neu gewählt.
Ein Vertrauensverhältnis zwischen den neuen Kirchenvorstehern und den Pastoren ist in den 2 Jahren nicht zustande gekommen. Die Kirchenvorsteher haben in diesen zwei Jahren insofern regelmäßig an den Gottesdiensten teilgenommen als sie alle Wochen, wenn die Reihe des Klingelbeuteltragens an sie kommt, am Gottesdienst teilnehmen. Ausnahmen sind selten geblieben. Ein Interesse, das kirchliche Leben der Gemeinde zu fördern, habe ich nicht wahrgenommen.“
In einem Bericht über die Pfarre Elstorf schreibt Pastor Schriever am 20.2.1936:
„Der Kirchenvorstand ist 1933 vollzählig nach politischen Gesichtspunkten gewählt. So kann ich von ihm keinerlei Unterstützung erwarten“.
Bis zum Ende des Krieges 1945 gab es keine Kirchenvorsteherwahl mehr.
Kirchenvorsteher ab 23. 07.1933 (Wahl):
Wilhelm Peters | Elstorf | (1940 ausgeschieden) |
Ludwig Peters | Immenbeck | |
Hermann Prigge | Ovelgönne | |
Wilhelm Wiegers | Daerstorf | |
Peter Cohrs | Schwiederstorf | |
Christian Eggers | Elstorf | (von 1940-1942/verstorben) |
Ludwig Peters | Daerstorf | (von 1940-1944/verstorben) |
August Meyer | Elstorf | (ab 1942) |
Christoph Brunkhorst | Wulmstorf | (ab 1944) |
In den Kreiskirchenvorstand (ab 26. 7 1933) wurden Peter Cohrs, Schwiederstorf und Gutsbesitzer Bartmer, Immenbeck gewählt. Als Ersatzvertreter Willi Wiegers, Daerstorf und H. Prigge Schwiederstorf. (KV-Protokolle 1933 -1945).
Von beiden Pastoren, Pastor Schriever und Pastor Jacobi, wird von einer Unkirchlichkeit des Kirchspiels Elstorf berichtet. Hatten sie schon dagegen an zuarbeiten, so kamen in der NS-Zeit noch die Unannehmlichkeiten mit der Partei der NSDAP dazu, den staatlichen Einschränkungen, und das nicht mehr unbefangene Zusammenarbeiten mit dem Küster und den Lehrern. Pastor Langelotz wurde 1936 in die Gemeinde nach Bergen/Dumme versetzt. Die Vakanzvertretung übernahm Pastor Schriever in Moisburg, von 1918 bis 1929 selber Pastor in Elstorf. 1937 wurde endlich die vakante Stelle wieder besetzt von Pastor Jacobi (vorher Pastor in Hamburg-Wilhelmsburg), der aber schon zwei Jahre später zur Wehrmacht eingezogen wurde. Wiederum musste Pastor Schriever die Doppelbelastung zweier Gemeinden tragen. Besonders in der Mangelzeit der Kriegsjahre.
Während der Vakanzzeiten stand ihm kein Auto zur Verfügung, so dass er entweder per Kutsche, per Fahrrad oder zu Fuß den Weg nach Elstorf nahm, auch in den Zeiten der kalten und schneereichen Winter. Pastor Jacobi kam im Juli 1945 aus der Kriegsgefangenschaft zurück, blieb aber nicht mehr lange in Elstorf. Im November 1947 ließ er sich nach Erbsen versetzen.
Die Pastoren von 1933-1947
Langelotz | Juli 1929 - 24.01.1936 | (versetzt nach Bergen/Dumme) |
Schriever | 24.01.1936 -17.01.1937 | Vakanzvertretung |
Jacobi | 17.01.1937 - Sept. 1939 | anschl. Kriegsdienst |
Schriever | 27.11.1939 - 14.06.1945 | Vakanzvertretung |
Jacobi | 24.07.1945 - 02.11.1947 | anschl. nach Erbsen versetzt |
Von einem Gemeindeleben aus heutiger Sicht konnte man damals nicht sprechen. Erlebte unsere Kirchengemeinde unter Pastor Schriever und seiner aktiven Frau in den zwanziger Jahren einen gewissen Aufschwung, der sich besonders in den Aktionen der Jugendarbeit und der Mission zeigte – hier schlug das Herz von Pastor Schriever - so verblasste dieses doch wieder nach seinem Weggang 1929. Pastor Langelotz, konnte die Kreise und den Gottesdienstbesuch nicht halten.
Er verließ die Gemeinde 1936. Durch die Vakanzzeiten, die Pastor Schriever von Moisburg in Elstorf ausfüllte, und dem Einzug Pastor Jacobis zur Wehrmacht, gleich zu Beginn des Krieges, beschränkte sich das kirchliche Leben auf Gottesdienste, Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, Beerdigungen und Hausbesuchen. Die evangelische Kinder- und Jugendarbeit war der Kirche schon schnell nach 1933 aus der Hand genommen worden. Die Evangelische Jugend wurde in die HJ eingegliedert. Der Kirche beließ man den Kindergottesdienst und den Konfirmandenunterricht.
[1]Entnommen aus: „Der Landkreis Harburg 1918-1949“ Hrsg. Dirk Stegemann, S. 459 ff
[2]Am 30. Januar 1933 vereidigte der Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler und beauftragte ihn mit der Bildung einer Koalitionsregierung des Nationalen Zusammenschlusses. Der Begriff „Machtergreifung“ suggeriert, als ob Adolf Hitler und seine Partei, die NSDAP, durch einen Staatsstreich zur Macht gelangt ist. Dem war aber nicht so. Die Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler ist von den konservativen Parteien im Parlament unterstützt worden. Nach dem Recht der Weimarer Republik war alles legal. So kann man von diesem Ereignis eher von einer Machtübergabe bzw. Machtübertragung sprechen.
[3]Hittfelder Heimatbote, Jg. 10, Nr.2, Febr. 1933
[4]In einem Schreiben von Sup. Lührs vom 25. Juli 1933, Archiv Kirchengemeinde Elstorf
[5]Hittfelder Heimatbote, Jg. 10, Nr. 7, Juli 1933
[6]Liste der provisorischen Vertreter im Kirchenkreis Hittfeld, Archiv Kirchengemeinde Elstorf
[7]So auch der Ortsgruppenleiter Louis Holst aus Ovelgönne im Jahr 1939, Archiv Kirchengemeinde Elstorf
[8]Fatal wirkte sich das Klammern der evangelischen Kirche an die „Zwei Reiche-Lehre“ Luthers aus, wie sie in dieser Abschrift zum Ausdruck kommt. Die Obrigkeit ist gottgegeben, und somit auch ihr Tun. Auch die Bekennende Kirche gab dem Staat das Recht Juden zu verfolgen.
[9]SA = Sturmabteilung, NSVO = Nationalsozialistische Volkswohlfahrt
[10]Mit dem Putsch am 8./9.11.1923 versuchte der ehemalige General Ludendorf und Hitler und weitere Putschisten in München die Macht zu ergreifen, scheiterten aber, 16 Putschisten wurden erschossen, Ludendorf und Hitler verhaftet.
[11]Sippenforscher unterstützten den Rassenwahnsinn der NSDAP indem sie durch die Nachforschungen für die Arier-Ausweise Mischehen (jüdisch-christliche Ehen) in den vergangenen Generationen aufdeckten und somit indirekt die Betroffenen der Gestapo und dem KZ auslieferten. Besonders trat dieses nach 1938 ein (rassische Säuberung von Mischehen). Wie die Kirche diesen Rassenwahn unterstützte beschreibt Manfred Gailus in seinem Buch „Kirchliche Amtshilfe“. Die Ariernachweise fanden im Mai 1945 ihr Ende. Die Sippenforscher, die zugleich sich auch oft Heimatforscher nannten, führten ihre Arbeit nach dem Krieg weiter im Schreiben von Dorfchroniken. Hierbei konnten sie dann auf die im „Dritten Reich“ gesammelten Daten zurückgreifen.
[12]Wilhelm Marquardt, Volksschullehrer in Immenbeck/damals noch Kreis Harburg. Ab 1.Nov.1935 Dienst in der Gauleitung Hannover-Ost in Harburg-Wilhelmsburg. 1937 Berufung in die verlegte Gauleitung nach Lüneburg, machte dort Karriere. Nach seiner eigenen Aussage brachte er es auf 28 Parteiämter in der NSDAP. Verfasste Reden für den Gauleiter und veröffentlichte rassistische Artikel in Zeitungen. War zeitweise der Schriftleiter des „Niedersachsen Stürmer“. Bezeichnete sich selbst als den idealen Nationalsozialisten. W. Marquardt wurde nach dem Krieg zu zwei Jahren Haft verurteilt, konnte aber bald, obwohl ein Bescheid gegen eine weitere Verwendung als Lehrer vorlag , durch Vermittlung des Hittfelder Bürgermeisters eine Stelle in Hittfeld als Lehrer antreten. Später wechselte er wieder nach Immenbeck. Seine Vergangenheit konnte er verschweigen wie in seiner Chronik. „Die Harburger Geestdörfer“. Dort schreibt er von sich: „... 1. Lehrer vom 1.10.1932 bis 31.10.1937. Danach versetzt nach Lüneburg......“. Der Satz suggeriert, als ob er nach Lüneburg als Lehrer versetzt wurde, was so nicht stimmte. (Quellen: Buxtehuder Tageblatt, Hauptstaatsarchiv Hannover, Stiftung nieders. Gedenkstätten, Lüneburg, Novemberprogrome 1938)
[13]Das Landjahrlager befand sich am Alten Postweg, Schwiederstorf